So trotzen die Petrolheads der Transformation
Von wegen elektrische Revolution: Während die Vorstände den Wandel predigen und ein Auto nach dem anderen an die Leine legen, kämpfen die Petrolheads unter den Entwicklern für ihre alten Ideale – mit Erfolg. Bei Porsche und BMW haben sie jetzt noch einmal zwei klassische Fahrmaschinen durchgeboxt.
SP-X/München/Stuttgart. Jos van As strahlt über das ganze Gesicht. Der BMW-Ingenieur steigt gerade aus einem Prototypen, mit dem er selbst kaum mehr gerechnet hätte. Nachdem die Bayern beim aktuellen Einser und Zweier das Alleinstellungsmerkmal des Heckantriebs aufgegeben, sich mit frontgetriebenen Kompakten wie dem Audi A3 oder der Mercedes A-Klasse gemein gemacht und dabei einen guten Teil der Fahrfreude auf dem Altar der Plattformstrategien und Kostensenkung geopfert haben, steht neben dem Leiter der Fahrdynamik jetzt mit heißen Reifen und knisterndem Auspuff ein Auto, das wieder zurück zu den Wurzeln weist: Denn mit einem neuen Zweier Coupé will BMW noch einmal an Fahrmaschinen wie den 2002i erinnern und beweisen, dass nicht immer Effizienz oder Vernunft die maßgeblichen Größen für den Weg von A nach B sein müssen, sondern dass es auch mal Emotionen und Vergnügen sein dürfen. „Kampaktes Format, ein Reihensechszylinder vor allem die Treue zum Heckantrieb, das ist für uns die Formel für Fahrfreude“, bringt Projektleiter Martin Gruber alle wichtigen Zutaten auf den Punkt. Und die Mannschaft um van As hat sie entsprechend zusammen gerührt. Natürlich gibt es in der Kampkatklasse praktischere Autos und welche, die sparsamer sind, räumen die Entwickler ein, aber kein anderes macht so viel Spaß wie das Zweier Coupé, fassen sie den Stand der Entwicklungen zusammen.
Dass Fahrspaß, zumindest der nach alter Väter Sitte, noch einmal ganz oben auf der Anforderungsliste steht, ist ungewöhnlich in diesen Tagen. Während ein Tempolimit auf der Autobahn nach den Wahlen im September zumindest eine denkbare Option geworden ist, schwenken derzeit selbst Vollgasmarken wie Aston Martin oder Lamborghini auf die Electric Avenue ein und schwören dem Verbrenner ab. Und große Hersteller wie Audi, Mercedes oder eben BMW wirken ein wenig so, als schämten sie sich fast für ihre Spaßautos. Selbst wenn sie damit das Geld verdienen, mit dem sie ihre elektrischen Flotten ausbauen, ihre CO2-Strafen bezahlen und ihren Anteil an der Umweltprämie begleichen.
Deshalb kann man die Freude in den Gesichtern von Männern wie van As verstehen, wenn sie von Autos wie dem Zweier Coupé schwärmen, weil die Petrolheads damit dem Trend getrotzt und wenn schon keinen Sieg errungen, dann zumindest einen Aufschub gewonnen haben.
Immerhin hat BWM dafür einen großen Aufwand getrieben. Der Zweitürer, der ab Herbst in Mexiko gebaut wird, deshalb erst einmal in den USA in den Handel kommt und bei uns zu Preisen knapp unter 40.000 Euro erst im Februar 2022 zu haben ist, basiert nicht auf Einser und Zweier, sondern auf Dreier und Vierer. Damit bietet er nicht nur die leistungsfähigere Architektur für Antrieb und Fahrwerk, sondern steht auch noch deutlich stämmiger da als der Vorgänger.
Wo schon Dreier und Vierer der Maßstab für Fahrspaß in ihrer Klasse sind, wirkt der Zweier noch eine Nummer agiler und aggressiver: Zwei Handbreit kürzer als ein Vierer und obendrein noch ein paar Zentner leichter, ist er der Straße noch enger verbunden, lenkt vor Kurven leichter ein und beschleunigt danach noch besser wieder heraus. Präzise, aufgeweckt und agil und dabei trotzdem so gelassen, dass der Fahrer bei allem Engagement noch immer entspannt bleibt.
Auch zwei Stunden weiter im Nordwesten feiert die Fahrfreude noch einmal fröhliche Urstände und ein anderer Entwickler ist am Strahlen: Rico Löscher arbeitet als Fachreferent für die Gesamtfahrzeug-Entwicklung des Porsche Cayenne und kann selbst kaum glauben, in was für einem Auto er sitzt. In Zeiten, in denen sein Vorstand Oliver Blume die Prognosen für die Elektroquote beinahe im Monatsrhythmus anhebt, mit Akku-Pionieren wie Mate Rimac paktiert und außer dem 911 kein Auto bei der Elektrifizierung mehr explizit ausschließt, treibt Löscher einen Prototypen über die Teststrecke, der so gut in die Zeit passt wie eine filterlose Zigarette ins Yoga-Studio oder ein blutiges Steak ins vegane Bistro. Statt den Benziner endlich ganz aus dem großen SUV zu verbannen, hat er in sogar noch einmal aufgebohrt und so eine neue, noch namenlose Top-Version für das Coupé entwickelt: 640 PS und 850 Nm stehen jetzt im Datenblatt des 4,0 Liter großen Achtzylinders, das sind 90 PS und 80 Nm mehr als beim aktuellen Cayenne Turbo und zum Plug-in des Turbo S E-Hybrid fehlen jetzt nur noch 40 PS. Vor allem aber sind es 40 PS mehr als beim Audi RSQ8 und nur noch zehn weniger als beim Lamborghini Urus – und nachdem deren V8-Motor zusammen mit dem Cayenne-Triebwerk in Zuffenhausen gebaut wird, war das für die Porsche-Mannschaft eine Frage der Ehre.
Nur etwas mehr als drei Sekunden für den Standardsprint und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h - diese Werte sind schon beeindruckend. Aber wenn man sich hinter das Steuer des Prototypen setzt, kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus: Das stattliche Gewicht scheint sich zu verflüchtigen und die Gesetze der Physik sind vergessen, sobald auch nur ein Schatten des kleinen Zehs aufs große Fahrpedal fällt.
Dass der Wagen nicht gerade politisch korrekt ist, weiß auch Löscher. Doch weiß er auch, dass ihm die Kunden nicht nur in den Emiraten und Russland, in Amerika oder China für den zivilen Ungehorsam im Kampf gegen die vollständige Elektrifizierung und den Trotz bei der Transformation dankbar sein werden. Und diese Dankbarkeit teuer bezahlen müssen. Denn deutlich unter 200.000 Euro wird das neue Top-Modell kaum zu haben sein. Und spätestens damit erklärt sich auch, weshalb es Autos wie dieses gibt. Der Aufpreis von etwa 50.000 Euro gegenüber dem herkömmlichen Turbo steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, der in diesem Tuning steckt – selbst wenn die Entwickler sogar die Designer mit ins Boot geholt und dem Coupé einen markanteren Dachspoiler, einen größeren Heckflügel und eine neue Schürze spendiert haben.
Zwar haben Petrolheads wie van As oder Löscher mit ihren aktuellen Prototypen noch einmal einen kleinen Sieg errungen und der Transformation getrotzt. Doch aufhalten lassen wird sich der Wandel kaum, und mit Rücksicht auf die eigene Karriere wird das auch keiner der Ingenieure wollen. Im Gegenteil. Nicht umsonst sind immerhin zwei der bald sieben Cayenne-Varianten bereits elektrifiziert und vieles spricht dafür, dass die nächste Generation des Stuttgarter Bestsellers gleich ganz elektrisch fahren wird. Und auch BMW-Mann van As hat längst seinen Frieden mit den Stromern gemacht. Ohne dass das Lächeln von seinen Lippen weicht, wechselt er deshalb nach der flotten Runde im Zweier in einen anderen Protoptypen, der verdächtig leise durchs große Tor hinaus auf die Überlandrunde schießt. Als er nach zwei Stunden auf einsamen Landstraßen wieder da ist, hört man zwar keinen Auspuff mehr knistern und auch keinen Kühler blasen. Doch zumindest der Geruch verbrannten Gummis steigt einem auch hier in die Nase – und das Grinsen ist nicht aus seinem Gesicht gewichen.
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