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Die Kunst des Querlenkens - Verbrenner gegen Elektroauto
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Die Kunst des Querlenkens - Verbrenner gegen Elektroauto

Das Gerücht hält sich hartnäckig. Elektroautos fehle die Seele, heißt es bei den Verbrenner-Fans. Sie seien langweilig und hätten keinen Charakter. Stimmt das – oder kann man diese Ansichten auf die Müllhalde der Automobilgeschichte kippen? Der Selbstversuch mit Benziner und Stromer gibt Aufschluss.

SP-X/Hockenheim. Mit der Vergleichbarkeit von spritbetriebenen und von Strom in Schwung gebrachten Autos ist das so eine Sache. Sie unterscheiden sich in so vielen Punkten, dass eine klare Bewertung eigentlich nicht möglich ist. Bleibt das Gefühl am Steuer, beim Beschleunigen, in flinken Kurven. Damit lässt sich dieses komplizierte Thema von einer allerdings nur individuell nachvollziehbaren Seite angehen: Jeder Mensch nimmt es ein bisschen anders wahr, wenn der Motor brüllt, die E-Maschine sirrt, die Reifen schrubbend vom groben Übersteuern künden, die physikalischen Gesetze in Gestalt ungewollter Dreher zuschlagen.

Jetzt ist auch klar, wo die Geschichte spielt. Natürlich nicht auf öffentlichen Straßen, sondern auf der Rennstrecke, genauer gesagt, auf dem Hockenheimring. Hier hat Kia hinter dem kurzfristig vor dem Abriss geretteten Mercedes-Pavillon einen Vergleichsparcours für die Mobilität der Vergangenheit und der Zukunft aufgebaut. Der Wettkampf ist hochkarätig besetzt, der Kia Stinger tritt gegen den bisher stärksten Serien-Kia an, den EV6 GT. Heißt: Hier stehen sich ein 3,3-Liter-Benziner mit 366 PS und 510 Nm und ein E-Crossover mit 585 PS und 740 Nm gegenüber. Null bis 100 Sachen sind im Stinger in 5,4, im EV6 GT in 3,5 Sekunden machbar. Schluss ist bei 270 beziehungsweise 260 km/h.
Um einen sinnvollen Vergleich der Antriebssysteme auf die Beine stellen zu können, braucht es Hilfe vom Profi. Sie kommt im konkreten Fall von den Instruktoren von „Quer ist mehr“. Und man kann durchaus sagen, dass der Firmenname Programm ist. Geradeaus geht es nur sehr selten. Die beiden Fahrzeuge befinden sich zumeist in einem leicht bis komplett instabilen Zustand. Nicht nur, weil das eine durchaus spaßige Angelegenheit ist. Sondern auch, weil es etwas bringt. Schließlich bedeutet ein Drift nicht mehr und nicht weniger als die mutwillige Herbeiführung und die mehr oder weniger geglückte Beherrschung dieser dynamischen Instabilität. „Wer durch ein Drifttraining einmal automatisiertes Reagieren erlernt hat, kann in kritischen Situationen richtig reagieren und sein Fahrzeug vor dem Totalverlust bewahren“, so die Querlenker-Fachleute. Heißt: Wer durch ein Drifttraining einmal die dafür nötigen Synapsen im Gehirn zusammengeschaltet hat, kann in kritischen Situationen das Richtige tun und im besten Fall einen Unfall verhindern oder dessen Folgen reduzieren.

Soweit die Theorie. Aber am Hockenheimring geht es ums Praktische. Erster Versuch mit dem Stinger, der hier sozusagen seine Abschieds-Pirouetten dreht: Der Sport-Viertürer ist in Deutschland nicht mehr konfigurier- und bestellbar, allerdings gibt es noch Händler mit Neufahrzeugen. Und ohne konkret zu werden verspricht man bei Kia, man werde den flinken Allradler nicht sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden lassen. Wäre auch irgendwie respektlos, schließlich hat der Stinger viel für das Image der Marke getan. Und er ist immer noch in blendender Verfassung, wie sich auf dem kräftig gewässerten Drift-Kreisel zeigt. Langsam anfahren, kräftiger Gasstoß und sofort ordentlich gegenlenken. Dann passiert im Idealfall das, was dieser Übung ein gewisses Suchtpotenzial verleiht: Das Auto dreht mit weit ausgestelltem Heck seine Runden, gelenkt wird mit dem Gaspedal.

Bis dieser Zustand zuverlässig reproduzierbar ist, muss allerdings jede Menge Gummi dran glauben. Driften ist eine Kunst, eine Wissenschaft für sich. Speziell wenn der Stinger in den gleichnamigen Modus versetzt wurde und damit alle Stabilisierungs-Systeme stillgelegt sind. Wer ein kontrollierter Quertreiber sein will muss üben, üben, üben.

Der Stinger ist dazu genau der richtige Untersatz. Das zeigt auch der Umstieg auf den EV6 GT. Denn dessen zwei E-Motoren liefern ihr maximales Drehmoment systembedingt von jetzt auf gleich: Kurz das Fahrpedal gestreichelt und ab geht die Post. Auf der Kreisbahn und auf der Slalomstrecke anfangs vorwiegend in unbeabsichtigten Vollkreisen. Weil die Dosierung so schwierig ist, brauchen auch versierte Autofahrer noch mehr Versuche als beim Stinger, bis es einigermaßen passt. Langweilig ist das definitiv nicht, und es offenbart den ganz eigenen Charakter des E-Autos.

Womit die Vorurteile gegen dessen Antriebsart zumindest für diesmal widerlegt wären. Beide Testkandidaten machen im richtigen Umfeld richtig Spaß. Aber gibt es auch einen Sieger aus der markeninternen „Drift Challenge“? Eher nicht. Dazu sind die Unterschiede zwischen den beiden Kia-Kandidaten dann doch viel zu groß.

Rudolf Huber/SP-X


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