Das Auto am Scheideweg
Die EU ist sich einig: Die Zukunft gehört dem E-Auto, Diesel und Benziner sind ein Auslaufmodell. Verbraucher und Autofahrer können auf die Zeitenwende jedoch gelassen reagieren.
SP-X/Köln. Ab dem Jahr 2035 sollen innerhalb der EU neuzugelassene Pkw keine klimaschädlichen Abgase mehr emittieren dürfen. Diese Ende Oktober endgültig getroffene Einigung kommt einem Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor gleich. Doch was heißt das für Autofahrer und Verbraucher konkret? Und wie sollte man auf das Vorhaben jetzt und in Zukunft reagieren?
Ist das Null-Emissions-Ziel für 2035 beschlossene Sache?
Die wichtigsten Hürden auf dem Weg zu einer Gesetzgebung wurden genommen. Ende Oktober haben sich die Unterhändler der Mitgliedsstaaten und des EU-Parlaments auf eine entsprechende Regelung geeinigt, deren Inkrafttreten gilt somit als sicher. Vor einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union müssen das Europäische Parlament und EU-Ministerrat die neue Regelung noch förmlich verabschieden. Eine Ablehnung oder ein mögliches Querstellen einzelner Mitgliedsstaaten ist allerdings nicht zu erwarten. Angesichts der Einigung vom Oktober wird also das Zulassungsverbot für Verbrenner ab 2035 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen. Auch wenn die EU-Kommission bei der Wahl der Technologie zur Erreichung des Null-Emissions-Ziels eine neutrale Haltung eingenommen hat, wird die Zukunft des Automobils damit im E-Antrieb liegen.
Was sind die zentralen Elemente der kommenden Regelung?
Damit die EU bis 2050 klimaneutral wird, so das übergeordnete Ziel, müssen CO2-intensive Sektoren wie der Verkehr auf diese Klimaschutzmaßnahme einzahlen. Speziell für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen ist als erstes Etappenziel eine Minderung der CO2-Flottenemissionen bis 2025 um 15 Prozent gegenüber dem Niveau von 2021 vorgesehen. Fünf Jahre später sollen es bereits 50 % im Nfz- und 55 Prozent im Pkw-Sektor sein. Ab 2030 werden Hersteller bei ihrer Flottenziel-Berechnung durch den Verkauf emissionsfreier Fahrzeuge gewährte Supercredits nicht mehr anrechnen können. 2035 ist dann das finale Absenken auf null vorgesehen. Ab diesem Zeitpunkt erstmals zugelassene Autos werden kein CO2 mehr emittieren dürfen. Nach den Beschlüssen Ende Oktober soll diese Regelung 2026 noch einmal überprüft werden. In der Regelung ist außerdem eine Bitte an die EU-Kommission enthalten, den Einsatz sogenannter E-Fuels zu überprüfen. Werden diese synthetischen Kraftstoffe mit Grünstrom erzeugt, verbrennen sie CO2-neutral, aber nicht schadstofffrei. Ein weiteres Hintertürchen für Verbrenner: Für Hersteller von Kleinserien soll es Ausnahmeregelungen geben.
Bedeuten null CO2-Emissionen automatisch ein Verbrennerverbot?
In der großen Masse vermutlich ja, es könnte, wie bereits angedeutet, Ausnahmen geben. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden ohnehin auch nach 2035 in großer Zahl noch unterwegs sein können, denn die Nullemissionsvorgabe betrifft zunächst einmal nur das Neuwagen-Geschäft. Allerdings wären Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU auch nach 2035 denkbar, sofern sie auf Privatgelände genutzt und nicht zugelassen werden. Schließlich böte der mögliche Einsatz von klimaneutralen E-Fuels sowie Wasserstoff-Verbrennungsmotoren dem Verbrenner noch eine mögliche aber nach jetzigem Stand nicht eindeutig zugesicherte Zukunft.
Ist es weiterhin empfehlenswert, einen Neuwagen mit Verbrennungsmotor zu kaufen?
Wer von Benziner, Diesel oder Hybrid nicht lassen kann, wird zunächst ein noch breites, bis 2035 allerdings stark schrumpfendes Angebot entsprechender Neufahrzeuge vorfinden. Wie bereits zugelassene werden auch die in den nächsten Jahren neu zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor einen Bestandschutz genießen, der über 2035 hinaus geht. Die ab 2035 greifende Null-Emissions-Regelung betrifft also nur Neuzulassungen. Wer also bis 2034 in einen neuen Verbrenner investiert, muss nicht befürchten, dieses Investment bereits im Folgejahr als Totalverlust abschreiben zu müssen. Der Handel mit und die Besitzumschreibung von CO2 emittierenden Gebraucht-Pkw wird auch nach 2035 möglich bleiben. Auszuschließen ist allerdings nicht, dass - möglicherweise auch deutlich vor 2035 - regionale Fahrverbote für Verbrenner verhängt werden, die dann die Nutzung lokal erschweren oder unmöglich machen.
Werden E-Fuels die große Alternative zum Erdöl-basierten Benzin und Diesel?
Dass E-Fuels eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Gesellschaft spielen werden, ist unstrittig. Dass sie dies im privaten Pkw tun werden, ist aber nach aktuellem Stand eher unwahrscheinlich. Dort spricht die deutlich höhere Gesamt-Effizienz für das Batterie-E-Auto. Solange Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist, stehen E-Fuels beim Pkw in Konkurrenz zu anderen Stromverbrauchern – nicht nur in Industrie und Haushalten, sondern auch bei anderen Verkehrsträgern. Außerdem wird es sich bei den E-Fuels um einen für den Verbraucher vergleichsweise teuren Energieträger handeln.
Sollte ich schon jetzt ein E-Auto kaufen, oder besser noch warten?
Wer sich für ein E-Auto heute entscheidet, ist zukunftssicher und außerdem vergleichsweise umweltfreundlich unterwegs. Noch sind E-Autos in der Anschaffung in der Regel teurer als entsprechende Modelle mit Verbrennungsmotor, bei den TCO (Total Cost of Ownership) sind sie hingegen schon heute oftmals im Vorteil. In der Betrachtung der Gesamtkosten sind nach einer Berechnung des ADAC (Stand: Oktober 2022) einige, jedoch nicht alle E-Autos günstiger. Die Unterschiede sind in den meisten Fällen ohnehin nicht gravierend.
In den vergangenen Jahren hat sich viel bei der Technik von E-Autos sowie der Ladeinfrastruktur zum Positiven entwickelt. Reichweitenangst mit aktuellen Modellen ist deshalb zumindest in Deutschland kein Thema mehr. Allerdings dürften in den kommenden Jahren reichweitenstärkere E-Autos zu vermutlich niedrigeren Preisen auf den Markt kommen. In vielen Fällen kann es deshalb ratsam sein, ein Auto mit Verbrennungsmotor noch einige Jahre weiter zu nutzen, bevor man auf ein im Vergleich zum heutigen Stand der Technik besseres und zudem vermutlich auch wirtschaftlicheres und in der Anschaffung günstigere Elektroauto umsteigt. Apropos günstige Anschaffung: In den kommenden Jahren werden Angebot und Auswahl gebrauchter E-Autos stark zunehmen.
Soll ich bereits jetzt in eine eigene Ladeinfrastruktur investieren?
Wer ein batterieelektrisches Auto nutzen will, kann von einer eigenen Wallbox etwa am Garagenstellplatz profitieren. In der Regel ist der Fahrstrom hier günstiger als an öffentlichen Ladesäulen, zudem lässt sich das E-Auto in der heimischen Garage meist unkompliziert über Nacht laden, um dann morgens mit vollem Akku bereitzustehen. Heutzutage ist ein Verzicht auf eine private Ladeoption ebenfalls möglich, denn vielerorts ist ein bereits gut ausgebautes öffentliches Angebot an Ladeinfrastruktur vorhanden. Mittlerweile finden sich Hypercharger etwa auf Supermarktparkplätzen. In vielen Fällen kann hier ein einmaliges Tanken während des Einkaufs bereits den Strombedarf für eine Woche decken. Da die elektrische Installation und die Wallbox selbst von wenigen hundert bis zu mehreren tausend Euro verschlingen können, ist der Verzicht auf einen privaten Ladepunkt in manchen Fällen ratsam.
Finanziell interessant ist die eigene und intelligente Wallbox vor allem in Kombination mit einer Solaranlage und einem E-Auto mit bidirektionaler Ladetechnik. Dann lässt sich Fahrstrom quasi zum Nulltarif tanken sowie das E-Auto als Puffer nutzen, um so während der Nacht den Haushalt mit am Tag gespeicherten Sonnenstrom zu versorgen. Bei einem solchen Setup kann sich die Investition in Solaranlage, Wallbox und E-Auto schnell amortisieren.
Wird es künftig eine angemessene öffentliche Ladeinfrastruktur für E-Autos geben?
Die Zahl der E-Autos in den Ländern der EU wird in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Das EU-Parlament will deshalb mehr Ladestationen für E-Autos. Bis 2026 soll europaweit alle 60 Straßenkilometer eine Station für elektrische Pkw zur Verfügung stehen.
Auch Deutschland verfolgt ehrgeizige Pläne für einen zügigen Ausbau. Ein von der Bundesregierung im Oktober 2022 vorgelegter Masterplan Ladeinfrastruktur sieht 68 Einzelmaßnahmen vor. Unter anderem wird darin die Mineralölwirtschaft aufgefordert dass in zwei Jahren 50 und zwei Jahre später 75 Prozent der Tankstellen schnelle Steckdosen bieten.
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